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Protest-Statement von Asylbewerbern

„Crossing borders“ – vom Rand der Gesellschaft in die Mitte des Markusplatzes

 – Politische Flüchtlinge aus dem Iran starten Aufklärungs- und Protestaktion
Bamberg, 2 Juli 2012
Wir mussten unser Heimatland verlassen, weil wir uns für Menschenrechte eingesetzt haben. Versammlungs- und Meinungsfreiheit wurden uns dort verwehrt. Um nicht eingesperrt und gefoltert zu werden, flohen wir nach Europa in der Hoffnung auf Hilfe.
Auf unseren verschlungenen Pfaden nach Deutschland waren wir der Willkür von Menschenhändlern und Regierungsvertreter/innen ausgesetzt. Mehr als einmal befanden wir uns in Lebensgefahr.
Wir ersuchten die deutsche Regierung, die auf der ganzen Welt für die Wahrung der Menschenrechte eintritt und die iranische Demokratiebewegung bestärkt hatte, um politisches Asyl.
Wir haben inzwischen ein Jahr Lagerleben in Deutschland hinter uns. Das bedeutet nie Privatsphäre zu haben, sondern auf engem Raum mit  Fremden zusammen zu leben, eintönig zu essen, was vom Amt kommt und im Fall Roßdach heißt das auch, abgeschnitten von sozialen Kontakten zu leben.
In unserem „Exil“, isoliert am Rande der Gesellschaft vegetieren wir vor uns hin, versinken in Apathie und verloren manchmal den Willen zu leben.
Wir sind drei freie und weltoffene Studenten, ohne Zugehörigkeit zu oder Abhängigkeit von politischen, religiösen oder anderen Gruppen.
Wir möchten wieder ein „normales“ Leben führen können – ohne Angst um Leib und Leben, als Teil einer Gesellschaft, die Verfolgten Zuflucht gewährt und zu der auch wir etwas beitragen können und möchten.
Deshalb wollen wir eine Verbesserung der Lebensbedingungen aller Asylsuchenden, insbesondere in Bayern, erreichen.
Deshalb haben wir uns für diesen Protest entschieden – nicht gegen, sondern mitten in der Gesellschaft und im Dialog mit ihr, um die Menschen auf die Situation von Flüchtlingen in ihrem Land aufmerksam zu machen.
Wir fordern die Verantwortlichen dazu auf, einschneidende Veränderungen in der Asylpolitik vorzunehmen, sodass allen, die in diesem Land Schutz suchen, für die Dauer ihres Asylverfahrens ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird.
Dazu soll unser Protest dienen: Friedlich und gewaltlos, aber entschlossen.
Deshalb fordern wir:
1. Die Beschleunigung des Asylverfahrens für alle Asylbewerber/innen. In der Verwaltung muss zudem für mehr Transparenz im Verfahren und klare, nachvollziehbare Verantwortlichkeiten gesorgt werden. Den Asylbewerber/innen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich selbständig um ihr Asylverfahren kümmern zu können, dafür     brauchen sie ausreichend rechtliche Beratung und kompetente Übersetzer/innen.  Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen über Jahre hinweg in einem perspektivlosen und entmündigenden Schwebezustand gelassen werden, der sie notwendigerweise in die  Verzweiflung, ja sogar zu Selbstmordgedanken und tatsächlich ausgeübtem Suizid treibt.
2. Bewegungsfreiheit ohne Einschränkungen für Asylbewerber/innen, damit die Möglichkeit besteht, an gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Prozessen beteiligt zu sein, Freundschaften aufzubauen und die deutsche Kultur kennenzulernen.
3. Eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber/innen. Statt von Sozialleistungen zu leben, wollen auch wir nützliche Mitglieder der Gesellschaft sein. Wir möchten unsere Fähigkeiten und Ausbildung einbringen, sind aber zur Untätigkeit verdammt.
4. Um die Fähigkeit zur Verständigung und die Integration der Asylbewerber/innen zu verbessern, fordern wir staatlich finanzierte Deutschkurse sowie Zugang zu Ausbildung und Studium.
5. Dass die Unterbringung von Asylbewerber/innen in abgelegenen Gebieten weitab von Städten beendet wird.Die Lebensbedingungen in den Lagern müssen sich verbessern, insbesondere die Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel. Der Aufenthalt in solchen „Gemeinschaftsunterkünften“ muss auf einen Minimalzeitraum beschränkt werden, wie es in einigen Bundesländern bereits praktiziert wird.
6. Wahlfreiheit für unsere Lebensmittel und Bekleidung. Wir sind mündige Menschen mit individuellen Bedürfnissen. Die dumpfe Wiederholung des ewig gleichen, fertig abgepackten Essens  nimmt uns selbst noch in diesem Bereich die Möglichkeit zur Selbstbestimmung. Wir fordern, Sachleistungen durch Geldleistungen zu ersetzen.
Unsere Forderungen entsprechen den Menschenrechten und den Ideen des Humanismus. Deshalb haben wir die deutsche Regierung und alle Institutionen und Organisationen, die im Bereich der Asylpolitik aktiv sind, um Hilfe und Unterstützung gebeten.
Vielen Dank!
Protest statement in English:

„Crossing Borders“ – From the Edge of Society in the Middle of the Markusplatz

– Political Refugees from Iran to Start Education and Protest Action
Bamberg, 2nd July 2012
We, Iranian students, had to leave our homeland because we pushed for human rights. Freedom of assembly and freedom of expression were denied us on a daily basis.
To avoid being imprisoned and tortured, we fled to Europe hoping for help. On the winding path that brought us to Germany, we were at the mercy of traffickers and  government officials.
More than once, we were in danger of losing our lives. We petitioned the German government, which promotes human rights the world over and encourages the Iranian democracy movement, for political asylum.
We have now experienced a year of living in a German asylum seekers’ accommodation, which means living without personal privacy, in confined space, with strangers. We are given food, but it is institutional food and boring. Indeed, living in Roßdach also means living in isolation, effectively cut off from the rest of German society.
In our „exile“, isolated on the fringes of society, and without an opportunity to interact and contribute, we are becoming apathetic. Some of us appear at times even to have lost the will to live.
We are three free and open-minded students, and are not affiliated with any political, religious, or other group.
Our goal: to again lead a “normal life” – one without fear for personal safety – as productive members of the community.
Additionally, we aim to achieve an improvement in living conditions for all asylum seekers in Germany – including and especially here in Bavaria.
Therefore, we have decided to protest – not against society, but in the midst of society and in person-to-person dialogue. This way, we feel, we can best draw attention to the refugees and their unique situation and needs.
We urge the responsible parties to make drastic changes in asylum policy as it is implemented, so that all who seek protection in this country, for the duration of their asylum procedure, can lead the fullest and most decent life possible.
Because of that we protest: peacefully and nonviolent but determined.
Specifically, we seek:
1. The acceleration of the asylum procedure for all asylum seekers, and more transparency at the administrative level. This will ensure that procedures are clear, and that our responsibilities are understood.
The applicant must be given the opportunity to take a personal hand in his or her asylum procedures. For that they need adequate legal advice and a competent translator. It is unacceptable that people are left for years in a dead-end and disabling state of uncertainty that necessarily drives them to despair and even thoughts of suicide.
2. Freedom of movement without restrictions on asylum seekers. The possibility to be involved in civic and community processes, to build friendships and learn about German culture, should be a given.
3. Work permits for asylum seekers. Instead of living on benefits, we also will be useful members of society. We want to contribute our skills and training, but are condemned to inaction.
4. To improve the ability of understanding and integration of asylum seekers. We call for state-funded German language courses and access to training and education.
5. That the accommodation of asylum seekers in remote areas be ended. The living conditions in the camps must be improved, in particular the connection by public transport and proximity to community centers. Staying in such a „shared housing“ should be restricted to only a minimum period – as it is already done in other regions of Germany.
6. Choice for food and clothing. We are responsible people with individual needs. The dull repetition of the same pre-packaged food takes from us even the smallest sense of self-determination. In-kind benefits should be replaced by cash benefits, to allow us to make our own choices.
Our demands correspond to the human rights and the ideals of humanism! We ask the German government and all institutions and organizations active in the field of asylum policy, for these improvements.
And Thanks!

4 Kommentare zu “Protest-Statement von Asylbewerbern

  1. […] Aub Bamberg Düsseldorf Osnabrück […]

  2. […] links, mainly in German, but also in English: afghanmuhajer ~ strikeregensburg ~ asylaub ~ antifareferat ~ linksunten.indymedia ~ lagerhesepe ~ […]

  3. […] principalmente in tedesco, ma anche in inglese: afghanmuhajer  ~ strikeregensburg  ~  asylaub ~ antifareferat  ~  linksunten.indymedia ~  lagerhesepe  ~ […]

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